Herrenzwang wird zum Sachenzwang und Fremdzwang wird zum Selbstzwang. Technik verdeckt nicht nur Herrschaft, sondern Technik etabliert und legitimiert Herrschaft.
Die “entscheidende Maschine des modernen Industriezeitalters” (Lewis Mumford) ist die Uhr. Durch sie wird alles messbar und der Mensch fängt an, alles mit ihr zu messen. Er selbst gewöhnt sich an einen festen Takt und darum widerstrebt er nur bedingt, sobald er an eine Dampfmaschine angeschlossen wird, die den Takt stets beschleunigt. Der Sachzwang von Technik wird so immer weiter verinnerlicht, bis sich die Menschen ihm freiwillig unterwerfen, indem sie ihn zu einem Selbstzwang machen. Wo der Sachzwang herkommt oder nach dem verborgenen Herrenzwang fragt sodann niemand mehr - vielleicht auch weil er zu banal ist, denn: Zeit ist Geld.
Früher haben sich auf dem Dorf die “lieben” Nachbar_innen, um einen gekümmert und zu jeder Tages- und Nachtzeit hinter ihren Vorhängen stehend nach dem Rechten auf der Straße geschaut. In der anonymen Großstadt gibt es weder “liebe” Nachbarn noch liebe Nachbarinnen, jede_r ist sich selbst der_die Nächste. Da ist es doch gut, dass Vater Staat einspringt und uns alle rund um die
Uhr zum Messen und Herrschen
überwacht.
Im Profifußball werden längst nicht mehr nur die Tore gezählt und die zweimal 45 Minuten Spielzeit abgemessen. Bis ins kleinste Detail wird mittlerweile jede Bewegung auf dem Spielfeld aufgezeichnet, gemessen und gesteuert - auch außerhalb des Spielfelds wird alles von der Ernährung bis zu den Blutwerten akribisch normiert, bewertet und kontrolliert. Was aus den Profis noch den letzten Profit rausholt, findet sich längst als smarte
Uhr zum Messen und Herrschen
auch an unseren Handgelenken. Die stete (Selbst-)Optimierung der Arbeitswelt regiert nun auch im Privatleben, so dass sich das Quantified-Self restlos durchtaktet, um auch noch die letzte Performancesteigerung aus einem selbst herauszuholen - bis zur Übertaktung...