Sich jederzeit ohne Absprache und Fahrplan bewegen zu können, wohin man will, ist eine hervorragende Art von Freiheit. Dabei frei von Belästigungen der Mitwelt zu sein, Temperatur und Musik selbst wählen zu können und auf Pedaldruck nicht zwei, vier oder zehn sondern hunderte Pferdestärken zu dirigieren ist eine unmittelbare Macht, die gerade noch den allerwenigsten Herrschenden vorbehalten war. Diese Versprechen von Freiheit und Selbstverwirklichung macht das System Auto und hat uns damit fest im Griff: Vom Lebensentwurf als Pendler_in mit Haus im Grünen bis zum Bruttosozialprodukt hängt scheinbar alles an vier Rädern. Wir öffnen die Motorhaube und erweitern das Bordwerkzeug!
Wenn wir den [
] CO₂-Ausstoß unserer Autoflotte [...nicht nur um 30 sondern um 40 Prozent reduzieren wollen...] müsste 2030 bereits über die Hälfte der Fahrzeuge rein elektrisch fahren. Die Transformation in dieser Geschwindigkeit und mit den Auswirkungen ist kaum zu managen, da dann in gut zehn Jahren etwa ein Viertel der Jobs in unseren Werken wegfallen müsste – insgesamt rund 100 000 Stellen.

Volkswagen-Chef Herbert Diess
Auto fahren hat zur Folge, dass Wälder sterben, dass Kohlenmonoxid Menschen vergiftet, dass immer mehr CO2 zum Klimawandel beiträgt, dass NOX die Schleimhäute reizt, dass Reifenabrieb als Feinstaub giftige Schwermetalle in die Blutbahn einbringt, dass immer mehr Flächen versiegelt werden, dass Menschen immer schneller an Orte kommen an denen sie immer kürzer bleiben und nicht zuletzt tötet Autofahren immer wieder Menschen. All diese Probleme lassen sich durch
lösen, das heißt durch immer neuere Technik wie bleifreies Benzin, geregelte Katalysatoren, AdBlue, andere Reifenmischungen, Airbags, autonomes Fahren und mehr Flugreisen - aber weniger Auto fahren als naheliegende, nicht-technische Lösung kommt vollständig aus dem Blick.
Durch die Manipulation der Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen sind Stickoxide das bestimmende Thema der (Auto-)Mobilität in der öffentlichen Debatte. Dies täuscht jedoch darüber hinweg, dass derzeit für marginale Bequemlichtkeitsvorteile ein System hochindividualisierter motorisierter Mobilität unterhalten wird. Dieser automobile Konsens beruht im wesentlichen auf nicht nachwachsenden Rohstoffen und der autogerechten Formung ganzer Landschaften - beides wird auch die individuelle Elektromobilität kaum ändern. Die Rohstoffe werden nur kurzzeitig genutzt, um dann dauerhaft in der Atmosphäre oder auf dem Schrottplatz entsorgt zu werden. Ganz wie die
wird es noch in Jahrmillionen stille Zeugen des menschlichen Automobilismus geben.
Der automobile Konsens der Weltgesellschaft bringt dieses ganze
mit sich und erdrückt/unterdrückt/erpresst nahezu alle anderen Belange. So bringen Autos immer mehr Gewicht auf die Straße. Während der Golf I in seinem ersten Lebensjahr 1974 noch schlanke 805 kg auf die Waage brachte, wiegt der aktuelle Golf VII bereits 1615 kg. Im gleichen Zeitraum wurde der weltweite PKW-Bestand von 314 Millionen auf über 1 Milliarde mehr als verdreifacht. Die zehn größten Automobilhersteller kommen damit auf einen jährlichen Umsatz von 1.391 Milliarden Euro bei einem Gewinn von 86 Milliarden Euro, während die zehn größten Zulieferer nochmal 288 Milliarden umsetzen und 16 Milliarden Gewinn einnehmen. Und damit Autos überhaupt fahren können, setzen die zehn größten Erdölunternehmen nochmal 1.730 Milliarden Euro um mit einem Gewinn von 81 Milliarden Euro.
Autos sind keine einfachen Maschinen mehr. Je weniger wir mit einer solch massiven Technik auf die Natur einwirken wollen, z.B. Luftreinhaltung, oder je mehr wir uns von der Natur abkapseln wollen, z.B. Innenraumtemperatur, desto mehr Naturverbrauch und Naturwissenschaft/-manipulation ist letztlich nötig. In beiden Fällen braucht es komplett neue Stoffkreisläufe, die wiederum Eingangsprodukte benötigen und Ausgangsprodukte zur Folge haben. Der Ressourcenverbrauch steigt damit oder wird verschoben, aber in beiden Fällen wird die
nur fester geschnürt statt sie zu lockern.
Nicht wenige Beschäftigte der Automobilindustrie haben sich mit einer Zorro-Moral arrangiert: Tagsüber am neuen Auto der Luxusklasse arbeiten und abends aktiv werden in einer Bürgerinitiative für die autofreie Innenstadt - et voilà fertig ist die
. Die technischen Fähigkeiten werden nur an einem gut bezahlten, sicheren Arbeitsplatz eingebracht, während die persönlichen Moralvorstellungen und Werte außerhalb einer ökonomischen Verwertung im Freizeitbereich ihren Platz finden müssen.
"Liebe Angela,

...aus Sicht der Automobilindustrie gelten diese Einwände, umso mehr als wir unser leistungsfähiges und starkes Premiumsegment, das fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland ausmacht, über willkürlich gesetzte [
] buchstäblich "kaputt" regulieren lassen..."

Ihr Matthias Wissmann

Präsident des Verbands der Automobilindustrie
Bundesminister für Verkehr a.D.
Aufgrund von erhöhten Stickoxidwerten geht das Umweltbundesamt von 6.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in Deutschland aus. Die Erhebung und Berechnung dieser Zahl ist umstritten. Eindeutig ist jedoch, dass es 2,6 Millionen Unfälle in Deutschland allein im Jahr 2017 gab. Hierbei wurden über 300.000 Menschen leicht oder schwer verletzt und 3.180 Menschen getötet. Insgesamt verlieren jedes Jahr weltweit 1,3 Millionen Menschen ihr Leben bei einem Autounfall. Als (globale) Gesellschaft müssen wir uns ernsthaft fragen, ob wir bereit sind, uns der Gefahr “Automobilität” auszusetzen und bereit sind dieses
nicht nur für uns, sondern auch für andere zu tragen.
Die deutsche Automobilindustrie hat den prächtigsten
. Über alle Beschäftigten hinweg haben nur 14 % ein anderes Geschlecht als das männliche. Je zentraler die einzelnen Abteilungen sind, desto männlicher wird zudem die Belegschaft. So sind 92,5 % der Beschäftigten in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen Männer und nur noch 7,5 % der Beschäftigten haben ein anderes Geschlecht. In den Vorständen der deutschen Autobauer war bis 2010 keine einzige Frau vertreten und auch 2018 sind nur 4 von 24 Vorstandsmitgliedern weiblich, gerade mal 16,7 %. Das Automobil und mit ihm die Forcierung des motorisierten Individualverkehrs sind damit keine “neutrale” Technik, sondern durch und durch männlich dominiert.
Vor Beginn des Dieselskandals schreibt Karsten von Bruch, Ingenieur in der Abgasnachbehandlung bei Bosch, konzernöffentlich im Intranet an seinen Bereichsvorstand: "Wir wissen beide, dass außerhalb der Testzyklen zum Beispiel die AdBlue-Dosierung gedrosselt wurde, weil man dort zu viel davon gebraucht hätte. Gerade hier entstehen aber die meisten Stickoxide. Und deswegen ist das ein ganz bewusster Etikettenschwindel, um es mal diplomatisch auszudrücken." Der Dieselskandal zog dann seine Kreise und der Vorstandsvorsitzende von Bosch antwortete: "Wir müssen jetzt alle gemeinsam für den Diesel und seine Vorteile eintreten." Wenig später wird Karsten von Bruch in das
gesteckt und entlassen.
Der Fokus auf einen motorisierten Individualverkehr verlangt von jedem Individuum selbst für seine Mobilität zu sorgen. Gemeinschaftliche Mobilität und Mobilitätsgerechtigkeit rücken damit vollkommen aus dem Blick. Wenn nun immer weniger Menschen Busse und Bahnen nutzen, dann beschneidet die
aus “rein ökonomischen” Gründen die Taktzeiten, Haltestellen und Fahrlinien - bis zu dem Punkt, an dem ganze Regionen von einer öffentlichen Mobilität abgeschnitten werden und jeder Mensch mit seinem eigenen Auto fahren muss, wenn er denn eins hat.
Ein Motor pro Auto ist schon lange nicht mehr ausreichend, sondern immer mehr Elektro-Motoren sind nötig damit die Fenster, der Kofferraum und sogar die Türen sich auf Knopfdruck öffnen und schließen. Mit jedem zusätzlichen Motor steigt scheinbar die Freude am Fahren, vor allem dann wenn über 1.000 PS auf die Straße gebracht werden. Es ist also vielleicht gar nicht so verwunderlich, dass die einfache Pendelstrecke in Deutschland innerhalb von 15 Jahren um 21 % gestiegen ist, sprich von 8,7 km auf 10,5 km. Die Ingenieur_innen dieser
pendeln von allen am weitesten: Im Median sogar 18,5 km - doch sie fahren wohl kaum über leere Straßen, sondern zusammen mit allen anderen stehen sie im Stau.
Die Fortbewegung eines jeden Menschen beginnt meist auf Händen und Knien, dann auf den eigenen Füßen und so blieb es über Jahrtausende. Der Bewegungsradius war damit auf die eigene Bereitschaft und Fähigkeit zu laufen beschränkt. Durch Domestizierung konnten Tiere dazu gebracht werden, dem Menschen als Mobilitätsmittel zu dienen und damit den Bewegungsradius von Menschen zu erweitern. Doch dies war nur wenigen Menschen vorbehalten. Durch die Verbreitung des Automobils im 20. Jahrhundert wurde in Europa für einen Großteil der Bevölkerung eine weiträumige Mobilität zum Alltag. Mobilität wurde demokratisiert. Die Kehrseite sind weiträumige und dauerhafte Eingriffe in die Natur. Die Menschen kommen so zwar schneller zu einem ehemals weit entfernten Ort, aber dort bleiben sie oft nur eine kurze Zeit. Die Analyse zeigt, dass die einzelnen Koordinaten der
im Fall von Mobilität in einem starken Wechselverhältnis stehen und sich immer mehr als ein automobiler Konsens verfestigen dem jegliche demokratische Entscheidungsfindung untergeordnet wird.
Im Jahr 1992 umfasste die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland noch 40.305 km2 - bis 2016 ist sie um 22,2 % auf 49.254 km2 angestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl von zugelassenen Kraftfahrzeugen um 30 % von 42,0 Millionen auf 54,6 Millionen gestiegen. Die
ist der automobile Konsens, der ein Leben im Grünen propagiert, der Einfamilienhäuser absolut setzt, der mittelalterliche Städte autogerecht umbaut, eine Umgehungsstraße für jedes Dorf durchsetzt und einen Autobahnanschluss in 30 Minuten Entfernung garantiert.
Verkehr und Verkehrspolitik wird nicht nur von einer Person gemacht - stattdessen fahren viele Menschen ein Auto oder haben ein (wirtschaftliches) Interesse daran, dass immer mehr Menschen Auto fahren. Um diesen automobilen Konsens aufzubrechen, müssen sich ebenso viele Menschen aufmachen das
zu verlassen, indem sie sich zusammenschließen und gemeinsam handeln. Ein Beispiel ist der Berliner Volksentscheid Fahrrad, der von einem etwa 100-köpfigen ehrenamtlichen Team getragen wurde, die sich wiederum auf hunderte Unterstützer_innen verlassen konnten. Nur so war es möglich, innerhalb von dreieinhalb Wochen über 105.425 Unterschriften zu sammeln. Doch damit nicht genug, auch nach diesem sensationellen Erfolg kümmerten sie sich als Team darum, dass aus der Volksinitiative ein Mobilitätsgesetz wurde, das nun auch in seiner Umsetzung stets kritisch begleitet werden muss.
"Herr Luhmann, wenn es um den Diesel‐Skandal geht" - Hans‐Jochen Luhmann: "Entschuldigung, ich muss Sie da gleich in der Diagnose korrigieren [oder vielmehr mit ihren
]. Es geht hier um ein Versagen, wovon der so genannte Diesel‐Skandal ein Symptom ist. Es handelt sich um ein systematisches Versagen der Kraftfahrtbundesämter in Europa. Die setzen die Vorgaben des EU‐Gesetzgebers nicht um. Und das lassen die Mitgliedstaaten zu. Ungeprüft sind somit sämtliche behauptete Fahrzeugeigenschaften, nicht nur das Detail „Diesel‐Abgase“. Bei der Wortwahl "Diesel‐Skandal" handelt es sich also, um den Titel von Elisabeth Wehlings wunderbarem Buch zu variieren, um ein "einer Nation eingeredetes Denken – um daraus Partial‐Politik zu machen". Intention der Wortschöpfung ist das Setzen eines engen Fokus, um anderes aus dem Zielfernrohr zu nehmen. Wird ernstlich hingeschaut, so vermag eine ganze Kette von Umgehungen zum Vorschein zu kommen. Was bei den Stickoxid‐Werten von Diesel‐Fahrzeugen auffiel, das progressive Auseinanderdriften von Soll‐ und Ist‐Werten, von 30 Prozent bei Euro 2 auf 700 Prozent bei Euro 6, zeichnet sich auch ab bei den Angaben zum CO2‐Ausstoß, auch bei Benzinern. Selbst bei den Lärmemissionen schummeln die Autohersteller. Wir sind nicht am Ende, wir sind immer noch am Anfang."