Das Ende der Arbeit wurde schon vielfach prophezeit und gerade wird es unter dem Schlagwort künstliche Intelligenz erneut besungen. Ein guter Moment für einen kleinen Rückblick auf die letzten hundert Jahre der Umstrukturierung und Umverteilung von Arbeit: “Wer fertigt was, mit welchen Mitteln, zu welchem Zweck, in welchem Tempo und auf Basis welcher Technik? Wie ist es heute und wie sollte es sein?” - dies ist eine Grundfrage des Blue Engineering Seminars und vielleicht können die Werkzeuge uns bei ihrer Bearbeitung helfen.
Die menschenleere Fabrik ist das gängige Ziel der zunehmenden Automatisierung. Der Mensch wird nur noch als Anhängsel einer Maschine gedacht, die möglichst autonom funktioniert. Zugleich soll der Mensch als Cyborg Einzug in diese technischen Gebilde erhalten, bei der dann nur das vermeintlich Beste beider Seiten zur Geltung kommt: die menschliche Intelligenz und Kreativität sowie die Unsterblichkeit und Fehlerfreiheit der Maschinen. Bleibt nur die Frage, ob nicht doch mal eine Kugel in dem Revolver steckt mit dem der Mensch
spielt.
Je weiter die Automatisierung voranschreitet, desto abhängiger machen wir uns von Technik. Zusätzlich zur Zwangsjacke der Natur streifen wir uns noch eine
über. Technik hat uns und unser Handeln damit immer mehr im Griff - bis zu dem Punkt, an dem unser Handeln nur noch der Technik dient. Bereits heute hat all das, was das Internet ausmacht den weltweit drittgrößten Energieverbrauch nach China und den USA. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Industrie wird dieser Energieverbrauch noch weiter wachsen, da ja zukünftig jede Schraube einen Sensor trägt, der ans Internet angeschlossen werden soll, um zu funken, dass sie locker ist.
Automatisierung hat zum Ziel, die menschliche Produktionsarbeit zu reduzieren. Die fortschreitende Technisierung soll einen Weg zurück ins Paradies bahnen, so dass der Mensch künftig nicht mehr im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen muss. Pflegeroboter zeigen zudem, dass auch die Sorge-/Reproduktionsarbeit zunehmend automatisiert wird - aber dabei möglichst menschlich bleiben soll. Insgesamt wird damit Arbeit, auch die Arbeit an den Anderen, als etwas Unmenschliches abgetan, die aber dennoch irgendwie vonstatten gehen muss - ganz wie eine
, die sich immer wieder von selbst neu backt.
Selbstlernende Algorithmen, Roboter in der menschenleeren Fabrik und selbstfahrende Autos - anhand dieser Beispiele wird gerade der Fortschritt erzählt - bis dahin, dass sich Fortschritt nur noch auf Technik reimt. Doch was ist dieser technische Fortschritt eigentlich? Ist der technische Fortschritt und die zunehmende Entmenschlichung nun einmal unser Schicklsal als Menschheit? Da kann man ja eh nichts machen!? Es ist an der Zeit, den
einzusetzen. Wir müssen uns klarmachen, dass es Motive und Treiber für jeden Fortschritt gibt. Nichts passiert von selbst, sondern ökonomische und ideologische Rahmenbedingungen bestimmen, woran geforscht, was erfunden und was eingesetzt wird. Rahmenbedingungen, die in einer Demokratie unter Beteiligung aller immer wieder neu verhandelt und verändert werden müssen.
Frauen arbeiten oft unentgeltlich in der Sorge-/Reproduktionsarbeit und vielfach gegen einen viel zu geringen Lohn in der Textilindustrie oder in der Endmontage der Elektroindustrie im globalen Süden. Hier sind unzählige Handgriffe zu verrichten, so dass ihre Arbeiten bislang kaum zu automatisieren sind. Auf absehbare Zeit wird sich dies auch nicht ändern, da der
gar kein Interesse daran hat: Die kostenlose Sorge-/Reproduktionsarbeit soll auch zukünftig von Frauen im Verborgenen getätigt werden, ebenso wie die nötige unterbezahlte Produktionsarbeit, damit Männer im frisch gebügelten Hemd sich ganz ihren hochglänzenden, vollautomatischen Maschinen widmen können.
Industrie 4.0, Automatisierung, Digitalisierung, Internet of Things sind keine neuen Katzen, die durchs Dorf getrieben werden. Ganz im Gegenteil, der
für diese Techniken reicht weit zurück: Die vollautomatisierte, menschenleere Fabrik von heute ist der wahrgewordene Traum von vorgestern - eine Fabrik, die endlich ermüdungsfrei, streikfrei und mit planbarer Präzision arbeitet. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs träumten die Militärs und das Management von Rüstungsunternehmen nicht nur, sondern schrieben ihre Träume als Anforderungslisten auf: Höchste Genauigkeit, Planbarkeit und direkter Zugriff durch das Management bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von den Fähigkeiten der Arbeitenden. Die Fabrik ohne Menschen ist damit der wahrgewordene Traum des militärisch-industriellen Komplexes der 1950er Jahre.
Ein Schlagwort des Digitalisierungshypes ist die "Gig-Economy". Gemeint sind Dienstleistungen, die Menschen auf Zuruf erledigen, wenn sie Zeit dazu haben und die pro Auftrag abgerechnet werden – vermittelt über das Internet. Arbeit, die ich verrichten kann, wenn es passt, zum Teil sogar von jedem Computer aus – klingt erstmal gut. Doch gegenwärtig konzentriert sich die Macht bei den Vermittlungsplattformen, die oft Monopole für ihren Bereich haben und somit Bezahlung und Rahmenbedingungen jederzeit einseitig verändern können: wo früher starke Betriebsräte und Gewerkschaften die Rechte der Arbeitnehmer_innen vertraten, steckt die Gig-Economy jede_n Lohnempfänger_in in ein
, denn: "Allein, machen sie dich ein!".