Atmen, Trinken und Essen finden sich in der Basis unserer Bedürfnispyramide. So komplex und feingegliedert unsere Gesellschaft auch sein mag, an den Grundprinzipien des Stoffwechsels kommt niemand vorbei. Und so lässt sich die Geschichte der Menschheit auch als Geschichte menschlicher Nahrungsbeschaffung erzählen, vom Jagen und Sammeln zum Hüten und Weiterziehen und schließlich zur Landwirtschaft wie wir sie bis heute als Idealtypus im Bilderbuch finden. Gesellschaftlicher und technischer Fortschritt kann vielleicht auch daran gemessen werden, wie groß der Anteil der Personen ist, die primär mit der Nahrungsproduktion beschäftigt ist. Die industrialisierte Landwirtschaft produziert aus diesem Blickwinkel unglaublich effizient. Die Werkzeuge zeigen uns, welche anderen Blickwinkel auf unsere aktuelle Form der Nahrungsbeschaffung möglich sind.
Die letzten 100 Jahre technische und biochemische Entwicklung haben die Landwirtschaft in Europa fundamental verändert und mit jedem Jahr wurde eine weitere Sprosse der
erklommen. Immer weniger Menschen produzieren mit modernem Saatgut, stets ausreichendem Düngemittel, Unmengen hochwirksamer Pestizide und mit steigendem Maschineneinsatz immer mehr Nahrungsmittel. Doch Maschinen erfordern Investitionen, große Maschinen sind effizienter, ernten mehr, fahren schneller und erfordern noch höhere Investitionen, die sich nur bei guter Auslastung rentieren. So hat sich beispielsweise die durchschnittliche Größe von Landwirtschaftsbetrieben in Deutschland von 30 Hektar im Jahr 1991 auf 62 Hektar im Jahr 2017 verdoppelt.
Der
im Bereich der Landwirtschaft reicht mehr als 10.000 Jahre zurück. Damals wurden die ersten wilden Pflanzen und Tiere domestiziert. Die heutigen Kulturpflanzen haben damit eine Kulturgeschichte, die durch Züchtungen zu einer schier unglaublichen Ausdifferenzierung an Sorten geführt hat, die sich hinsichtlich ihrer Größe, Farbe und ihres Geschmacks aber auch mit Blick auf ihren Anspruch an Wasser, Sonne, Bodenqualität und Wärme unterscheiden. Heute werden je nach Kulturpflanze bis zu 90 % Hybridsorten ausgesät. Diese optimierten Sorten entstehen durch Kreuzung und sind nur in ihrer ersten Generation besonders ertragreich. Zur nächsten Aussaat muss also neues Saatgut gekauft werden - diese Sorten sind also auch für die Pflanzenzüchter finanziell besonders ertragreich.
Die Frage ist nicht, ob der Mensch Landwirtschaft betreibt, sondern wie und mit welchem Ziel. Im Laufe der Menschheitsgeschichte gab es immer wieder Formen von Landwirtschaft, die sich dauerhaft tragen konnte und über Jahrtausende erhalten hat - bis in die Gegenwart hinein. Genauso gibt es auch genügend historische Beispiele für eine Übernutzung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, was teilweise innerhalb von wenigen Jahrzehnten zu einem völligen Zusammenbruch der Landwirtschaft an diesem Ort führte. Durch die immer stärkere Technisierung und Industrialisierung der modernen Landwirtschaft, werden zwar kurzfristig höhere Erträge möglich, aber dieses Niveau ist langfristig nicht haltbar, da die Böden dauerhaft ausgelaugt, verdichtet, vergiftet und verwüstet werden. Zugleich werden die derzeit hohen Erträge nicht genutzt, um alle Menschen gleichermaßen zu ernähren, sondern global gesehen haben einzelne Menschen Zugang zu einem Überfluss an Luxusgütern - wie Fleisch - auf Kosten vieler Menschen. Dabei ist eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln eine zentrale Grundbedingung für eine demokratische Teilhabe. Die
zeigt, dass wir trotz aller Technisierung, die natürlichen Ressourcen übermäßig beanspruchen und eine globale soziale Gerechtigkeit in Bezug auf Nahrung nicht vorhanden ist.
Historisch war Mangelernährung der Normalfall für große Teile der Menschheit und für viele ist sie es auch heute noch. Zugang zu ausreichend Nahrung ist jedoch eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine politische Teilhabe und damit ein wichtiger
- vor allem dann, wenn der Überfluss des globalen Nordens durch die Armut im globalen Süden erkauft wird. Nur so ist es unter anderem möglich, dass Deutsche um die 14 % ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben was weit entfernt ist von den 40 % in den 1950er und 1960er Jahren und selbst dieser Wert ist global gesehen auch heute noch recht niedrig.
In der chinesischen Region Sichuan wurden Pestizide bereits in so großem Maß eingesetzt, dass Insekten fast völlig ausgestorben sind. Seit den 1980er Jahren übernehmen dort Menschen die Arbeit der Bienen und bestäuben die Obstplantagen von Hand. Auch in Europa dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass einzelne Insektenarten aussterben, wenn Pestizide seit 1970 die Biomasse der Insekten um 80 % reduziert haben. Die Folgen sind nicht absehbar, aber eine scheinbare Rettung naht: Patente für Bestäubungsdrohnen sind bereits eingereicht und drehen mit am
. Doch nicht alle Insekten werden mechanisch zu ersetzen sein - ganz abgesehen von der Frage, ob die Vernichtung aller Insekten überhaupt erwünscht ist.
"Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein… Und zu Adam sprach er: ...verflucht sei der Acker um deinetwillen...Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen…" Daraufhin setzt sich der Mann in den Schatten unter einem Baum, krault sich seinen
und erklärt: "Schmerzen und Arbeit auf dem Feld schließen sich nicht aus. Also ran an die Arbeit, Weib."
Um sich ein kleines Stück Natur in ihre Stadt zu holen, gärtnern immer mehr Menschen. Die verschiedenen Urban Gardening Projekte, aber auch die innerstädtischen Parks und Brachen zeichnen sich mittlerweile durch eine hohe Biodiversität aus. Hiervon zeugt nicht zuletzt auch der Honig, den sich Stadtimker_innen von ihren Bienen einsammeln lassen. Die Städte sind somit kleine
aus Monokulturen und Pestiziden, der längst nur noch das verschont, was sich verkaufen lässt.
Durch die gegenwärtige Spezialisierung in der Landwirtschaft werden zwar Stoffkreisläufe gebrochen, erst pro Betrieb, nach und nach in ganzen Regionen und inzwischen auf globaler Ebene, aber die
bricht man nicht. Das Ergebnis ist ein Mangel an Nährstoffen auf den Feldern, der durch Mineraldünger, einer endlichen Ressource, ausgeglichen wird. Während gleichzeitig ganze Landstriche in Niedersachsen durch die Schweinezucht für den Weltmarkt wortwörtlich von nährstoffreicher Gülle überschwemmt werden, die die Trinkwasserversorgung mit einem der höchsten Werte an Nitrat innerhalb der EU gefährdet.
Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) erlebt gerade einen Aufschwung. Einzelne Menschen schließen sich zusammen, um als Konsument_innen für die Kosten eines Bauernhofes aufzukommen. Die Produzierenden befinden sich damit nicht länger im globalen Wettbewerb um den niedrigsten Preis für standardisierte Produkte, sondern handeln mit den Teilhabenden der SoLaWi aus, unter welchen Bedingungen welche Produkte erzeugt werden sollen. Konsument_innen und Produzent_innen verlassen so ihr jeweiliges
und gestalten solidarisch eine andere Form von Landwirtschaft, die sich an den Bedürfnissen aller Beteiligten orientiert und meist die natürlichen Stoffkreisläufe in den Blick nimmt.
Fruchtbares Ackerland ist ein wertvolles, ungleich verteiltes und endliches Gut. Mitteleuropa hat im weltweiten Vergleich sehr gute Klima- und Bodenbedingungen für den Ackerbau. Hier hat sich über Jahrhunderte eine enorme Artenvielfalt herausgebildet, die nur durch die verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzungen erhalten bleibt. Doch die
sorgt dafür, dass diese Flächen jeden einzelnen Tag um etwa 70 Hektar schrumpfen, da wir mit unverminderter Geschwindigkeit landwirtschaftliche Flächen für Straßen, Einfamilienhäuser, Parkplätze und die zehntausendste immergleiche Kombination aus Baumarkt, Supermarkt, Discounter, Drogeriemarkt, Billigkleiderladen und als neueste Errungenschaft Bioläden auf der ehemals grünen Wiese nutzen.
Auf den ersten Blick ist Landwirtschaft der Inbegriff von Erneuerbarkeit. Jedes Jahr können wir erneut ernten, die Natur gibt großzügig. Auf den zweiten Blick kommt unsere Landwirtschaft ohne den
und fossile Rohstoffe nicht mal bis zur Aussaat. Landmaschinen brauchen Diesel, für Düngemittel werden Phosphatvorkommen ausgebeutet und Spargel, Erdbeeren und Salat wachsen unter Plastikfolien oder gleich im geheizten, künstlich beleuchteten Gewächshaus und werden schlussendlich zu uns geflogen.
Das
ist ein 3-in-1 Angebot um mit dem eigenen Frust umzugehen: Frustkaufen, Frustessen und dann noch ein richtig spannendes Spielzeug. Wäre doch gelacht, wenn der Frust nicht dadurch endgültig durch ewige Glückseligkeit abgelöst wird - zumindest so lange bis man sich ernsthaft mit den Bedingungen und Folgen der industriellen Land- und Viehwirtschaft auseinandersetzt.
Glyphosat wird im Kombinationspräparat "Roundup" großflächig in der Landwirtschaft zur Unkrautvernichtung auf dem Acker eingesetzt. Wie Glyphosat auf die Organismen von Menschen und Tieren wirkt, ist nicht genau geklärt. Die Internationale Agentur für Krebsforschung klassifizierte den Stoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen". Seitdem wird gestritten über die Zulassung von Glyphosat in der Landwirtschaft, beide Seiten präsentieren Studien und Meta-Studien, die die Schädlichkeit bzw. Unschädlichkeit belegen sollen. Wissenschaftliche Objektivität und Eindeutigkeit verschwinden zusehends und jede_r hört den
am deutlichsten dort spuken, wo die Erkenntnisse den eigenen Interessen entsprechen.
Vorindustrielle Formen der Landwirtschaft zeichnen sich durch eine vielfältige, kleinteilige Nutzung der Flächen aus: Wiesen zur Futtermittelproduktion wechseln sich ab mit Ackerbau und Flächen für Obst- und Gemüseanbau - sogar eine parallele Nutzung wie bei Streuobstwiesen, die zugleich als Weidefläche genutzt werden, ist verbreitet. Dies ist eine Voraussetzung für Biodiversität, da wilde Pflanzen und Tiere so das ganze Jahr genug Nahrung finden. Doch mit der industrialisierten Landwirtschaft verschwinden diese kleinen Paradiese auf Erden. Statt Sand- und Geröllwüsten schafft der
Monokulturen, die durch Pestizide ganze Landstriche in Wüsten verwandeln, in denen nichts überleben kann außer Weizen, Mais und Zuckerrüben. Daher darf es auch nicht verwundern, dass Stadtimker mittlerweile eine Vielzahl mehr an verschiedenen Blüten in ihren Honigen haben als Imker auf dem Land.
Wir haben uns an volle variantenreich bestückte Obst- und Gemüsetheken zu jeder Jahreszeit, Fleisch und Milchprodukte in 100m langen Kühltheken und eine volle Auswahl beim Bäcker kurz vor Ladenschluss gewöhnt. Doch diese imperiale Lebensweise im globalen Norden ist nicht verallgemeinerbar für alle Menschen - stattdessen genießen wir diesen Reichtum auf Kosten derer, die schon heute die Folgen dieser Lebensweise ertragen ohne selbst daran teilzuhaben: die
ist weit geöffnet und spreizt sich auch im globalen Norden immer weiter.